Wie eine Volksbefragung nicht sein sollte

Als ich heute den Stimmzettel der Wiener Volksbefragung die diese Woche stattfindet zur Hand nahm, bestätigten sich meine Vorbehalte gegen (zuviel) direkte Demokratie erneut. Wer auch immer sich die Fragen dieser, im Übrigen rechtlich unverbindlichen, Volksbefragung ausgedacht hatte, hatte wohl nicht die Absicht, dieses in letzter Zeit oft diskutierte und von vielen Bürgerinnen und Bürgern erwünschte Instrument der Volksbeteiligung bei politischen Entscheidungsprozessen zu etablieren bzw. mehr Zustimmung für direktdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten zu gewinnen. Anders lässt sich mir nicht erklären, wie man derart schwammige und unkonkrete Fragen stellen kann.

Wiener Volksbefragung – Die Fragen

Gleich bei Frage 1 hat man de facto die Antwortmöglichkeit zwischen „ja“ und „ja“. Man kann nicht etwa für oder gegen das Parpickerl sein und entsprechend „ja“ oder „nein“ ankreuzen, sondern man kann nur wählen, ob die Parpickerlregelung einheitlich für ganz Wien oder uneinheitlich je nach Bezirk festgelegt wird. Wo genau hier die Entscheidung des Bürgers liegt, erschließt sich mir nicht, da die Antwortalternativen keine Gegensätze darstellen.

Frage 2 ist nach meiner Sicht sowieso denkbar ungeeignet für eine Bürgerbefragung. Mir ist natürlich bewusst, dass man eine etwaige Bewerbung für olympische Sommerspiele früh genug stellen muss, da die Bewerbungsfrist zeitig endet. Aber für den einfachen Bürger liegt 2028 doch recht weit in der Zukunft. Davon abgesehen, wie soll der Bürger diese Frage beurteilen, wenn er keine einigermaßen konkreten Informationen bezüglich der Kosten und dem erwarteten Nutzen dieses Projektes erhält? Wien grenzt nicht ans Meer, wodurch einige Diszipline der Sommerspiele schonmal schwer zu verwirklichen sind. Außerdem hat diese Stadt auch kaum größere Sportstätten, was bedeutet, dass wohl viel Geld in den Aufbau einer geeigneten Infrastruktur und der geeigneten Einrichtungen fließen müsste, um dieses Projekt zu einem Erfolg zu bringen. Davon abgesehen, hat Österreich generell nicht viele Kandidaten, die bei olympischen Sommerspielen um die Medaillen kämpfen könnten. Der Heimvorteil fällt entsprechend nicht ins Gewicht und ob medaillenlose Spiele einen touristischen Aufschwung bewirken wage ich zu bezweifeln.

Frage 3 ist sehr unkonkret – und nach meiner Interpretation des Wortlautes auch nicht sehr neutral – gestellt. Laut Information zur Frage bieten die kommunalen Betriebe der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen, wie Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten. Die Frage lautet nun, ob man diese Betriebe vor einer Privatisierung schützen soll. Seit wann sind Wasser, Kanal oder Energie Betriebe? Und generell ist der Wortlaut der Frage seltsam und wie bereits erwähnt nicht sehr neutral. Wenn gefragt wird, ob man diese Betriebe vor einer Privatisierung schützen soll, klingt das bereits, als ob eine Privatisierung etwas Schlechtes wäre. Unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall ist, bin ich der Meinung, dass eine Frage bei einer Volksbefragung so nicht gestellt werden darf. Außerdem muss man die Frage recht genau lesen, denn wenn man „ja“ ankreuzt, möchte man, dass die „Betriebe“ vor einer Privatisierung geschützt werden, also eben nicht privatisiert werden. Auch aus diesem Grund entsteht bei mir der Eindruck einer subjektiven Fragestellung. Meine Alternative, die mir spontan zu dieser Frage einfällt, wäre: Sollen Dienstleistungen wie die Wasser- und Energieversorgung, die Müllabfuhr und die Bereitstellung von Spitälern und Gemeindewohnbauten privatisiert werden? Zwar erkennt man auch in dieser Fragestellung nicht, welche Betriebe jetzt exakt privatisiert werden sollen oder nicht, aber ohne konkrete Informationen in dieser Hinsicht kann ich die Frage nicht entsprechend modifizieren. Und natürlich ist die Frage bei meinem Beispiel auch als reine Positivfrage und nicht als versteckte Negativfrage formuliert. Freilich kann man auch andere Fragestellungen wählen, als das von mir eben genannte Beispiel, die möglicherweise auch besser sind, aber so wie die Frage derzeit formuliert ist, kann ich sie persönlich jedenfalls nicht akzeptieren.

Auch Frage 4 ist wieder schwammig formuliert. Erstens ging ich bisher ohnehin davon aus, dass die Stadt Wien ebenso wie viele andere Städte und Länder in den Ausbau und die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energie investiert, denn schließlich werden die Rohstoffvorkommen unserer Erde irgendwann erschöpft sein. Und zweitens wird in der Frage nirgends erwähnt, wie groß die finanzielle Beteiligung der Bürger bei der Entwicklung dieser Projekte sein soll. Es ist schließlich ein Unterschied ob ich jährlich 5 Euro oder 1000 Euro für diese Projekte bereitstellen muss, sollte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Antwort „ja“ wählen.

Wie gesagt, bestätigt diese Volksbefragung meine eher negative Einstellung was Direktdemokratie betrifft. Genaueres über mein Verhältnis zu Bürgerbeteiligungen werde ich ein andermal erzählen.