Das Zappelphilipp-Syndrom

In letzter Zeit wurde in verschiedenen Medien erwähnt, dass mittlerweile ungefähr jedes vierte Kind an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)- umgangssprachlich oft auch als Zappelphilipp-Syndrom oder Hans-Guck-in-die-Luft bekannt – leiden würde. Zur Linderung der Symptome verschreiben viele Ärzte das Betäubungsmittel Ritalin, wodurch sich die Impulsivität, Ablenkbarkeit und Hyperaktivität der betroffenen Kinder legen soll. Als psychosomatische Krankheit bekannt bedarf es zur Diagnostizierung einer recht umfangreichen psychologischen Untersuchung, die aber objektiv kaum messbar ist.

Angesichts der Tatsache dass bereits Willhelm Busch in seinem Struwwelpeter diese damals als reine Erziehungsprobleme bekannten Symptome beschrieb, ist es naheliegend anzunehmen, dass diese Krankheit – trotz bestehender Zweifel vieler Menschen – tatsächlich exisitiert. Es wäre auch gegenüber den Betroffenen nicht fair, dass Vorhandensein dieser Krankheit zu leugnen und damit deren Eltern die Erziehungskompetenz abzusprechen. Dennoch bin ich der laienhaften Meinung, dass es in diesem Gebiet zu häufig zu einer Fehldiagnose kommt und selbst bei einem positiven Befund, wäre ich sehr vorsichtig was die Anwendung des auch als Suchtmittel bekannten Ritalins betrifft.

Es ist kein Zufall, dass viele Kinder heute an Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität leiden, sondern vielmehr sind diese Verhaltensweisen auf die stark veränderten Umweltbedingungen unserer Zeit zurückzuführen. Während vor 40 oder 50 Jahren die meisten Kinder unter freiem Himmel ohne elterliche Aufsicht in Wald und Wiesen spielten oder bei der Hof- und Gartenarbeit zu Hause helfen mussten, dürfen die Kinder heute allenfalls auf kleinen, geschützten Spielplätzen unter Aufsicht spielen, noch besser fänden es Erzieher, Eltern und Nachbarn teilweise, wenn sie sich still beschäftigen würden, notfalls auch vor Fernseher oder Computer. Aus Sicherheitsgründen dürfen Kinder an manchen Schulen das Schulgebäude in den Pausen oft gar nicht verlassen, sondern nur in den Gängen herumgehen und eventuell Tischfußball spielen. Laufen dürfen sie – ebenfalls aus Sicherheitsgründen – in den Korridoren natürlich auch nicht, zu laut sein ist ebenfalls verpönt und am Ende des Schultages werden sie von den Eltern im Auto abgeholt und nach Hause gebracht. Fußball spielen im Garten ist oft nicht möglich, da sich dann die Nachbarn über den Lärm beschweren und raufen oder sich spielerisch herumprügeln geht schonmal gar nicht. Durch all diese Maßnahmen wird jedoch der natürliche Bewegungsdrang der Kinder nicht eingedämmt, sondern dieser kommt mangels Bewegungsmöglichkeiten noch stärker zur Geltung, allerdings häufig auch im Unterricht. Anstatt die Symptome bei der Wurzel zu packen, werden die Kinder lieber mit Medikamenten ruhig gestellt. Das ist einfacher und bequemer.

Zum Bewegungsmangel und den engen Freiheitsgrenzen der Kinder kommt auch noch die Reizüberflutung durch Werbung, Straßenlärm, Handy etc. dazu. Diese auf ein unvermeidbares Niveau zu reduzieren sowie den Gebrauch von elektronischen Medien auf ein angemessenes Maß zu beschränken, wären meiner Meinung nach bereits ein kleiner Schritt zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsspannen der Kinder. Darüberhinaus wäre es sinnvoll, Kinder nicht wie in der oben beschriebenen Art und Weise unter eine Art „Glaskuppel“ zu stellen, wo ihnen nichts passieren kann. Zum Einen ist es ohnehin unmöglich, jedes Sicherheitsrisiko auszuschalten und zum Anderen werden die Kinder so in eine unrealistische Märchenwelt verfrachtet, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Wenn diese Kinder einmal erwachsen sind, dann müssen sie oft schmerzhaft erkennen, dass diese geschützte Zone, die sie in der Kindheit erlebt haben, gar nicht existiert.